Gesetzlich erlaubte vs. vertraglich vereinbarte Nutzung: Unterschied zwischen den Versionen

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|| Sofern '''§§ 60a-60h UrhG''' als <u>dispositive Normen</u> verstanden werden, können zumindest solche Bestimmungen, die vom Gesetzgeber <u>nicht als unabdingbar</u> ausformuliert sind, durch abweichende vertragliche Vereinbarungen <u>von den Parteien ausgestaltet</u> werden.<br/>
 
|| Sofern '''§§ 60a-60h UrhG''' als <u>dispositive Normen</u> verstanden werden, können zumindest solche Bestimmungen, die vom Gesetzgeber <u>nicht als unabdingbar</u> ausformuliert sind, durch abweichende vertragliche Vereinbarungen <u>von den Parteien ausgestaltet</u> werden.<br/>
 
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<u>'''Lösungsansätze:'''</u><br/>
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'''Europäischer Gerichtshof (EuGH)''' zur „Terminal-Schranke“, '''§ 60e Abs. 4 UrhG''': <br/>
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Die Schranke sei nur dann ausgeschlossen, wenn tatsächlich ein Lizenz- oder Nutzungsvertrag geschlossen worden ist, in der die Bedingungen für die Nutzung des Werkes durch die Einrichtung festgelegt sind. Der Gerichtshof nimmt somit einen faktischen Vorrang der gesetzlichen Schranken an, da es für den/die jeweilige Nutzer:in wie z.B. eine Bibliothek nicht in Frage kommt, einen für sie „ungünstigeren“ Vertrag abzuschließen.<br/>
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--> Im Übrigen obliege die Entscheidung über das systematische Verständnis der Schranken bei den Mitgliedstaaten.<sup>1</sup><br/>
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'''Bundesgerichtshof (BGH)''':<br/>
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Dieser hat seine vormals vertretende Auffassung der vertraglichen Abdingbarkeit (d.h. individuelle Regelungsfähigkeit) – betreffend die Schranken nach '''§§ 60a-60f UrhG''' – aufgegeben.<sup>2</sup> Das bedeutet, dass die gesetzlichen Schranken Vorrang genießen. Dabei geht der BGH sogar so weit, dass er einen '''Vertragsvorbehalt''' auch für solche gesetzlichen Regelungen vorgesehen hat, in denen dieser nicht ausdrücklich erwähnt wird und zwar dann, wenn er dies für '''geboten''' hält, um dem gesetzlichen Regelungszweck gerecht zu werden.<sup>3</sup><br/>
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'''§ 60g UrhG''' regelt in '''Abs. 1''' nunmehr den '''Vorrang der Schrankenregelungen''' hinsichtlich der Nutzungen nach '''§§ 60a-60f'''. Außerdem werden dadurch '''Vereinbarungen zu Lasten''' der Nutzungsberechtigten wie Beschränkungen oder Untersagungen als '''unwirksam''' erachtet. Zusätzliche neutrale oder gar vorteilhafte vertragliche Vereinbarungen werden jedoch nicht per se ausgeschlossen.<br/>
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'''Abs. 2''' bestimmt, dass '''vertragliche Vereinbarungen vorgehen''', die ausschließlich:<br/>
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*die Zugänglichmachung von Terminals ('''§§ 60e Abs. 4 und 60f Abs. 1''')<br/>
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*den Versand von Kopien auf Einzelbestellung ('''§ 60e Abs. 5''') <br/>
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zum Gegenstand haben. Die gesetzlich erlaubten Nutzungshandlungen treten demnach hinter Vertragsvereinbarungen zurück (Lizenzvorrang).<sup>4</sup><br/>

Version vom 13. Juni 2023, 10:07 Uhr

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I. § 60g UrhG

§ 60g UrhG regelt das Verhältnis zwischen den Schrankenbestimmungen und vertraglich eingeräumten Nutzungsrechten. Die Tatsache, dass der Gesetzgeber bestimmte Nutzungshandlungen explizit in den Schrankenregelungen aufgenommen und damit für „erlaubnisfrei“ erklärt hat, wirft die Frage auf, inwieweit über solche Handlungen (zusätzlich) vertragliche Vereinbarungen getroffen werden können.

1. Ansicht (non-commercial)3 2. Ansicht (no-derivatives)4
Die Schrankenbestimmungen der §§ 60a-60h UrhG umschreiben den Umfang der dem Rechtsinhaber ausschließlich zugewiesenen Nutzungsbefugnisse abschließend. Dies hat zur Folge, dass die gesetzlich bereits geregelten Nutzungshandlungen von den Parteien nicht disponibel sind.
Sofern §§ 60a-60h UrhG als dispositive Normen verstanden werden, können zumindest solche Bestimmungen, die vom Gesetzgeber nicht als unabdingbar ausformuliert sind, durch abweichende vertragliche Vereinbarungen von den Parteien ausgestaltet werden.



Lösungsansätze:
Europäischer Gerichtshof (EuGH) zur „Terminal-Schranke“, § 60e Abs. 4 UrhG:
Die Schranke sei nur dann ausgeschlossen, wenn tatsächlich ein Lizenz- oder Nutzungsvertrag geschlossen worden ist, in der die Bedingungen für die Nutzung des Werkes durch die Einrichtung festgelegt sind. Der Gerichtshof nimmt somit einen faktischen Vorrang der gesetzlichen Schranken an, da es für den/die jeweilige Nutzer:in wie z.B. eine Bibliothek nicht in Frage kommt, einen für sie „ungünstigeren“ Vertrag abzuschließen.
--> Im Übrigen obliege die Entscheidung über das systematische Verständnis der Schranken bei den Mitgliedstaaten.1

Bundesgerichtshof (BGH):
Dieser hat seine vormals vertretende Auffassung der vertraglichen Abdingbarkeit (d.h. individuelle Regelungsfähigkeit) – betreffend die Schranken nach §§ 60a-60f UrhG – aufgegeben.2 Das bedeutet, dass die gesetzlichen Schranken Vorrang genießen. Dabei geht der BGH sogar so weit, dass er einen Vertragsvorbehalt auch für solche gesetzlichen Regelungen vorgesehen hat, in denen dieser nicht ausdrücklich erwähnt wird und zwar dann, wenn er dies für geboten hält, um dem gesetzlichen Regelungszweck gerecht zu werden.3
§ 60g UrhG regelt in Abs. 1 nunmehr den Vorrang der Schrankenregelungen hinsichtlich der Nutzungen nach §§ 60a-60f. Außerdem werden dadurch Vereinbarungen zu Lasten der Nutzungsberechtigten wie Beschränkungen oder Untersagungen als unwirksam erachtet. Zusätzliche neutrale oder gar vorteilhafte vertragliche Vereinbarungen werden jedoch nicht per se ausgeschlossen.
Abs. 2 bestimmt, dass vertragliche Vereinbarungen vorgehen, die ausschließlich:

  • die Zugänglichmachung von Terminals (§§ 60e Abs. 4 und 60f Abs. 1)
  • den Versand von Kopien auf Einzelbestellung (§ 60e Abs. 5)

zum Gegenstand haben. Die gesetzlich erlaubten Nutzungshandlungen treten demnach hinter Vertragsvereinbarungen zurück (Lizenzvorrang).4