Bildungsprivileg
I. § 60a UrhG – Bildungsprivileg
§ 60a UrhG regelt für Bildungseinrichtungen die Gestattung von Nutzungshandlungen in Unterricht und Lehre - ohne Zustimmung des/r Rechteinhaber:in - in Deutschland und im innereuropäischen Ausland.
Folgende Nutzungshandlungen sind danach erlaubt:
- Vervielfältigung
- Verbreitung
- Öffentliche Zugänglichmachung
- Öffentliche Wiedergabe in sonstiger Form1
1. Anwendungsbereich:
- a. Berechtigte:
- Die Vorschrift gilt für „Bildungseinrichtungen“ i.S.v. § 60a Abs. 4 UrhG
- = frühkindliche Bildungseinrichtungen, Schulen, Hochschulen, Einrichtungen der Berufsbildung oder der sonstigen Aus- und Weiterbildung
- Dabei wird gefordert, dass eine gewisse „Sonderbeziehung“, z.B. in Form eines Arbeits- oder Dienstverhältnisses oder einer Mitgliedschaft besteht.
- Bsp. Lehrpersonal, Schüler:innen, Studierende, Mitarbeiter:innen einer Bibliothek
- b. Begünstigte der Nutzungshandlungen:Abs. 1
- Nr. 1: Lehrende und Teilnehmer:innen einer bestimmten Veranstaltung (Bsp. Kurs, Prüfung, Vortrag…), so dass eine Weitergabe an unbeteiligte Dritte unzulässig ist
- Nr. 2: Lehrende und Prüfer:innen derselben Bildungseinrichtung
- Nr. 3: Dritte, sofern das hierfür verwendete Werk bereits für den Unterricht oder die Lehre an der jeweiligen Bildungseinrichtung verwendet wurde
- c. Modalitäten der Nutzung:
- Hierbei ist zwischen der eigenen Nutzung und der Herstellung für andere zu unterscheiden:
- Eine von § 60a UrhG privilegierte Person nimmt für andere Berechtigte eine Nutzungshandlung vor
- = zulässig
- Bsp. Studierender wird als Stellverteter:in für eine Lehrkraft tätig
- Eine von § 60a UrhG privilegierte Person nimmt für Dritte eine Nutzungshandlung vor
- = unzulässig
- Bsp. Studierender nimmt Nutzungshandlung für Person im eigenen Freundeskreis vor
2. Voraussetzungen im Einzelnen: Abs. 1
- Zur „Veranschaulichung“ des Unterrichts und der Lehre an Bildungseinrichtungen2
- Nutzung für Prüfungen
- Nicht zu kommerziellen3 Zwecken
- Bis zu 15 % eines veröffentlichten Werkes, wobei eine einheitliche Nutzung erfolgen muss
- Änderungsverbot, § 62 UrhG
- Pflicht zur Quellenangabe, § 63 UrhG
3. Besonderheiten:
- a. Nutzungserweiterungen, § 60a Abs. 2 UrhG
- Danach dürfen Abbildungen, einzelne Beiträge aus derselben Fachzeitschrift oder wissenschaftlichen Zeitschrift, Werke geringen Umfangs4 und verwaiste Werke vollständig (nicht nur zu 15 %) genutzt werden.
- b. Bereichsausnahmen, § 60a Abs. 3 UrhG
- § 60a Abs. 3 UrhG nimmt bestimmte Werkarten und Nutzungsformen aus dem Anwendungsbereich des Bildungsprivilegs, um zu gewährleisten, dass die reguläre Verwertung eines Werkes, sowie die berechtigten Interessen der Urheber:innen bzw. Rechteinhaber:innen nicht über Gebühr beeinträchtigt werden.
- Im Einzelnen: Nicht erlaubt
- Abs. 3 Nr. 1: Vervielfältigung durch Aufnahme auf Bild- oder Tonträger und öffentliche Wiedergabe eines Werkes, während es öffentlich vorgetragen, auf- oder vorgeführt wird
- Abs. 3 Nr. 2: Vervielfältigung, Verbreitung und öffentliche Wiedergabe eines Werkes, das ausschließlich für den Unterricht an Schulen geeignet, bestimmt und entsprechend gekennzeichnet ist
- Abs. 3 Nr. 3: Vervielfältigung
Quellen
[1] Hierdurch ermöglicht das Gesetz neue (unbekannte) Nutzungshandlungen.
[2] Hierbei gilt ein weiter Unterrichtsbegriff, welcher zugänglich für moderne Lernformen und unkörperliche Wiedergaben ist, vgl. BeckOK UrhR/Grübler, 34. Ed. 15.4.2022, UrhG § 60a Rn. 5.
[3] Entscheidend ist der mit der Werknutzung verfolgte Zweck, NICHT die Ausrichtung der Bildungseinrichtung selbst, vgl. BeckOK UrhR/Grübler, 34. Ed. 15.4.2022, UrhG § 60a Rn. 10.
[4] Werke mit nicht mehr als 25 Seiten, Musik und Filme nicht länger als 5 ½ Minuten, vgl. im konkreten Fall: BGH, Urteil vom 20. 12. 2007 - I ZR 42/05 - TV-Total.
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